Kosten? Pfeif drauf!

/ Eva-Maria Thoms

Wer gern Lokalzeitungen liest, kommt zur Zeit aus dem Staunen kaum noch heraus – dem Staunen über die blühende Phantasie mit der sich mancher Kommunalvertreter ausmalt, was so ein Behinderter für seine Barrierefreiheit brauche, wenn er im Zuge der Inklusion demnächst in ihren Schulen auftaucht.

Zu den dokumentierten Highlights kommunalen Erfindungsreichtums gehören etwa Leuchtstreifen im Fußboden für einen blinden (!) Schüler (was soll der damit eigentlich anfangen, wenn er nicht sieht?) oder für ein rollifahrendes Kind einen brandsicheren (!) Aufzug (extra noch mal recherchiert: gibt´s an keiner einzigen Förderschule im Land…). Inklusion ist teuer, so meißelt es sich in die Köpfe, viel zu teuer für unsere chronisch klammen Kommunen. Und die Zuschüsse des Landes – ein Tropfen auf den heißen Stein…

Aber da: eine Meldung aus dem Münsterland mag nicht in die kommunale Schwermut passen. Die private kirchliche Geistigbehindertenschule Haus Hall in Gescher feiert die Einweihung ihres neuen Schulgebäudes, mit neu gepflanztem Baum, mit kirchlichem Segen und mit flottem Liedgut des Lehrerchors „Pfeif drauf!“. 11,2 Millionen Euro hat der neue Bau gekostet. Und die Rechnung dafür hat nicht, wie das bei Privatschulen sonst üblich ist, der private kirchliche Träger der Schule beglichen, sondern der Staat – genauer gesagt die kommunalen Kassen der Kreise Borken und Coesfeld sowie des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe. Als freiwillige Leistung. Und keiner jammert.

Aber es jammert ja auch niemand über die anderen freiwilligen Geldspritzen aus der Kommunalkasse für die Förderschule Haus Hall. Normalerweise müssen Privatschulen in Nordrhein-Westfalen einen Teil ihrer laufenden Kosten selbst bestreiten. 87 Prozent schießt das Land ihnen zu. Bei Haus Hall als Förderschule sind es sogar 98 Prozent. Bleiben 2 Prozent, die die katholische Kirche selbst aufbringen müsste. Doch es muss sich niemand Sorgen um die Finanzen der Kirche machen: Auch diese Kosten übernimmt– freiwillig und auf Dauer – der Kreis Borken. Wie war das noch mit den klammen Kommunen, die die teure Inklusion nicht bezahlen können? Pfeif drauf?

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