Geschrei um 2

Die Erich-Kästner-Stadtteilschule in Hamburg-Farmsen ist eine Vorzeigeschule der Inklusion, ausgezeichnet mit dem Jakob-Muth-Preis.

Jetzt gerät die Schule in die örtlichen Schlagzeilen - weil der Schulleiter sich weigert sieben weitere Kinder mit Förderbedarf aufzunehmen, die die Schulbehörde ihm zugewiesen hat.

Bislang gilt in Hamburg die Regel, dass nicht mehr als vier Kinder mit einem besonderen Förderbedarf in einer Regelklasse mit insgesamt 23 SchülerInnen unterrichtet werden sollen. Doch in der Erich-Kästner-Schule sollen es in Zukunft sechs förderbedürftige Kinder sein. Obwohl hier bereits besonders viele behinderte Kinder lernen. Die Grüne Bürgerschaftsabgeordnete Stefanie von Berg ist erbost. Dem NDR Hamburg Journal sagte sie: "Ich kann die Entscheidung des Senators nicht verstehen. Wir haben andere Vereinbarungen in der Stadt. Wir haben Drucksachen (...) und da steht überall ganz klar geschrieben: nicht mehr als vier Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf pro Klasse."

Jetzt prallen die Interessen aufeinander: Die Hamburger Gymnasien beteiligen sich gar nicht am Ausbau der schulischen Inklusion. Die Schulbehörde muss nach dem Hamburger Schulgesetz allen Kindern einen Platz in einer allgemeinen Schule anbieten. Die Schulen und die Gewerkschaften wiederum fürchten offenbar, dass die personellen Bedingungen an Hamburger inklusiven Schulen dauerhaft schlechter werden könnten, wenn man die zusätzlichen Förderkinder an der Erich-Kästner-Stadtteilschule durchgehen lässt.

Leid Tragende des Streits sind - wieder einmal - die betroffenen Kinder selbst. Dem Elternverein Leben mit Behinderung Hamburg reicht es jedenfalls: Die ständige Skandalisierung der Inklusion sei gerade nicht das, was man brauche, um in Sachen selbstverständlicher Teilhabe voran zu kommen:

„Inklusion darf nicht als Makel gesehen werden. Es muss um die Kinder gehen und nicht um Kennzahlen und Mengenbewertung“, warnt Kerrin Stumpf, Geschäftsführerin von Leben mit Behinderung Hamburg Elternverein e.V. „Für unsere Kinder ist es schwierig genug ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Wir sind in großer Sorge um die Skandalisierung der Inklusion und Stigmatisierung der Kinder mit Förderbedarfen.“

Leben mit Behinderung Hamburg sieht die großen Herausforderungen und Bemühungen den Hamburger Schulen und der Behörde für Schule und Berufsbildung Strukturen zu entwickeln, in denen alle Kinder, mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf, gemeinsam lernen können. Dazu Kerrin Stumpf: „Wir Eltern wollen sehen, dass in den Schulgemeinschaften und in den Schulaufsichten kontinuierlich daran gearbeitet wird, Kindern mit Förderbedarf, einen Platz in den Regelschulen zu sichern. Das Hamburger Schulgesetz, um das wir bundesweit beneidet werden, gibt allen Kindern die Chance gemeinsam zu lernen und fachlich angemessen gefördert zu werden. Das ist ein großartiges Signal für unsere Kinder, eine Chance, die wir nicht verschenken sollten.“

Schlagworte

  • Überregional
  • Inklusive Schule