Kulturkampf in BaWü

Elterninitiativen für Inklusion aus Nordrhein-Westfalen schauen fassungslos nach Baden-Württemberg: Dort war geplant, dass ein Junge mit Down-Syndrom zum kommenden Schuljahr gemeinsam mit seinen Grundschulfreunden an eine weiterführende Schule wechselt.

Nun regt sich dagegen Volkszorn - weil die weiterführende Schule ein Gymnasium ist. Die Schulkonferenz des Gymnasiums Walldorf hat sich - nach drei Jahren Vorbereitungszeit - in letzter Minute entschieden, Henri aus der Gruppe der Schüler mit Behinderung auszusortieren und nicht aufzunehmen.

Während Henris Eltern Kultusminister Stoch um Hilfe bitten und in einer Online-Petition inzwischen von mehr als 22.000 Menschen unterstützt werden, regt sich jetzt sogar öffentlicher Widerstand gegen den kleinen Henri. Gegen-Petitionen fordern, "Henri und den Schülern des Gymnasiums" sein Auftauchen in der Schule "zu ersparen".
 
"Wir finden es zutiefst verstörend, dass Menschen in Deutschland wegen der Einschulung eines Jungen mit Down-Syndrom an einem Gymnasium meinen eine Art Kulturkampf anzetteln zu müssen", sagt Eva-Maria Thoms vom Elternverein mittendrin e.V. aus Köln. "Es kann nicht sein, dass eine Landesregierung zusieht, wie einzelne Lehrer, Pflegschaften und Unbeteiligte vor Ort Entscheidungen der Schulämter kippen, um einen einzelnen Schüler loszuwerden."
 
Dabei ist es so erstaunlich wie bezeichnend, dass niemand merkt, wie sehr es den Argumenten der Gymnasiallobby an Logik fehlt: Es wird behauptet, dass das Gymnasium für Henri nicht geeignet sei, weil er als Junge mit einer geistigen Behinderung dem gymnasialen Lernstoff nicht folgen könne.

"Hier wird dem Gymnasium eine Einzigartigkeit zugesprochen, die es schlichtweg nicht hat", sagt die mittendrin-Vorsitzende. Kinder wie Henri werden an keiner Regel-Schulform im Lernstoff "mithalten", nicht in der Realschule, nicht in der Gesamtschule und auch nicht in der Hauptschule. "Wer von Schülern mit Behinderung vor dem Eintritt in eine Regelschule verlangt, sie müssten dem Standard-Lernstoff folgen können, stellt die Inklusion insgesamt in Frage." Denn damit würden weit mehr als die Hälfte der behinderten Schüler vom gemeinsamen Lernen ausgeschlossen. "Es ist schon erschütternd, dass selbst hoch gebildete Menschen sich Schulunterricht offenbar nur als Veranstaltung vorstellen können, in der alle Schüler im Gleichschritt einen Durchschnitts-Lernstoff pauken."

weitere Informationen zum "Fall Henri":
www.lag-bw.de/aktuelles.html

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