NRW: Dutzende neuer Förderschulen in Planung

PRESSEMITTEILUNG

Das Land Nordrhein-Westfalen steht vor einem immensen Ausbau der Förderschullandschaft. Der Elternverein mittendrin e.V. listet aktuell 30 Fälle auf, in denen Städte, Kreise oder Landschaftsverbände ihre konkrete Absicht bekundet haben, in den nächsten Jahren zusätzliche neue Förderschulen zu gründen oder dies sogar schon in ihren Schulentwicklungsplänen verankert haben.

Diese Entwicklung widerspricht klar dem Schulgesetz des Landes, in dem festgelegt ist, dass die Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung in den allgemeinen Schulen zum Regelfall werden soll. Statt der Inklusion wird nun das Förderschulsystem ausgebaut.

Das Ausmaß der Förderschulplanungen, die rund 6.000 zusätzlichen Schulplätzen entsprechen, dürfte im Schulministerium überraschen. Entscheidungen über Bau und Schulform neuer Schulen trifft nicht das Land, sondern die Kommunen als Schulträger. Eine frühzeitige Erfassung seitens des Landes gibt es nicht.

Deshalb haben die Eltern vom mittendrin e.V. selbst recherchiert, in welchen Kommunen zusätzliche Förderschulen geplant werden – indem sie nach Berichten in der Regionalpresse gesucht haben und in 30 Fällen fündig wurden, ohne Gewähr auf Vollständigkeit.

Die Entwicklung ist also nicht von der schwarz-grünen Landesregierung gesteuert und dürfte dort eher Unruhe auslösen. Jede neue Schule muss mit Personal ausgestattet werden. Das wird sich bei 30 zusätzlichen Schulen auf mehr als 900 Stellen für Sonderpädagogen summieren und entsprechend in der Zukunft den Landeshaushalt belasten.

An der Entwicklung unbeteiligt ist das Schulministerium dennoch nicht. Hintergrund der Förderschulplanungen der Kommunen ist, dass die vorhandenen Förderschulen vielerorts überfüllt sind. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe:

Da ist zum einen die seit Jahren stetig steigende Zahl an Kindern, denen ein sonderpädagogischer Förderbedarf zugeschrieben wird. Seit Jahren hat die Schulpolitik nicht reagiert, obwohl sich die Hinweise verdichteten, dass das sogenannte AO-SF-Verfahren schlecht geregelt ist und zu viel Spielraum für zweifelhafte Diagnosen lässt. Erst zum aktuellen Schuljahr beginnt das Ministerium, in zwei Regierungsbezirken ein strafferes Verfahren zu testen.

Da ist jedoch zweitens vor allem die Tatenlosigkeit der Landesregierung beim Reformvorhaben der inklusiven Bildung. Seit nunmehr acht Jahren wird die inklusive Entwicklung der Schulen von den Schulministerinnen des Landes nicht mehr aktiv vorangetrieben. In der Folge hat in vielen Schulen der Elan nachgelassen, sich auf Schülerinnen und Schüler mit Behinderung einzustellen. Für viele Kinder etwa mit körperlicher oder geistiger Behinderung gibt es deshalb an ihrem Wohnort kein inklusives Schulangebot in akzeptabler Qualität. Zudem werden Eltern oft in Richtung Förderschule beraten. Deshalb melden sie ihr Kind an Förderschulen an, auch dann, wenn sie sich eine inklusive Beschulung gewünscht hätten.

Im Zusammenwirken führen die langjährige Untätigkeit bei den steigenden AO-SF-Zahlen und der inklusiven Bildung jetzt zur unkontrollierten Ausdehnung der Förderschulsystems. An vielen Standorten werden ohnehin insbesondere Förderschulen für Geistige Entwicklung, Sprache und für Körperlich-motorische Entwicklung erweitert. Zusammen mit den jetzt absehbaren mindestens 30 geplanten zusätzlichen Förderschulen werden künftig Immer mehr Schülerinnen und Schüler  in Nordrhein-Westfalen separat in Förderschulen beschult werden, die meisten mit reduzierten Lehrplänen: Allein 18 der zusätzlichen Förderschulen sind für Schüler mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung geplant, in dem ein Schulabschluss nicht einmal angestrebt wird.

Diese Entwicklung sollte selbst Befürwortern von Förderschulen große Sorge bereiten. Denn entweder werden immer mehr Schüler fälschlicherweise für kognitiv eingeschränkt erklärt und unzureichend beschult. Oder die Zahlen belegen einen medizinisch nicht erklärbaren stark steigenden Prozentsatz an Kindern mit Behinderung. Dann hätte allerdings die ganze Gesellschaft ein Riesenproblem.

Zusätzliche Förderschulen (nach Berichten der Regionalpresse):

Förderschulen Geistige Entwicklung: Bielefeld, Duisburg (2), Dortmund, Ennepe-Ruhr-Kreis, Essen, Gelsenkirchen, Hagen, Kreis Heinsberg, Herford, Köln (2), Kreis Minden-Lübbecke, Kreis Oberberg, Kreis Recklinghausen, Rhein-Kreis Neuss, Kreis Unna, Wuppertal.

Förderschulen Sprache, Lernen und/oder Emotional-soziale Entwicklung: Ennepe-Ruhr-Kreis, Kreis Gütersloh, Remscheid, Rheinisch-Bergischer Kreis, Solingen, Kreis Unna, Kreis Wesel, Wuppertal.

Förderschulen Körperlich-Motorische Entwicklung: Landschaftsverband Rheinland (4).

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