Benno, ein Junge mit Asperger-Syndrom, kam aus einer Grundschule zu uns. Dort verbrachte er wegen häufiger Konflikte auf dem Schulhof seine Pausen in der Klasse oder saß vor dem Lehrerzimmer. Er ist ein sehr begabter Schachspieler, ansonsten verbreitete er um sich herum und in seinen Sachen ein ordentliches Chaos, ganz so, wie es eben auch bei den schulischen Anforderungen in ihm selbst chaotisch war.
Seine Suche nach dem richtigen Heft, dem geforderten Schulbuch, seinen ganzen „Schulwerkzeugen“ waren Akte minutenlanger Unruhe in ihm und um ihn herum. Dies störte die Mitschüler*innen. Gemeinsam überlegten sie, wer Benno wann und wie unterstützen könnte, damit sich das Chaos reduziere und nicht so viel Zeit in Anspruch nähme. Zwei Mädchen – seine direkten Nachbarinnen aus seiner Tischgruppe – waren bereit, Bennos Unterrichtsmaterialien zu Beginn einer Stunde mit ihm bereitzulegen und am Ende einer Stunde für ihn geordnet abzuheften.
Gemeinsam wurde aber auch überlegt, was Benno tun könne, um seine Situation zu verbessern. Er schilderte seine Probleme anschaulich und für die Mitschüler*innen verständlich, so dass diese ihm lediglich das Aufräumen seines Platzes am Ende des Schultages und eine Teilnahme an den Klassendiensten abverlangten. Benno konnte sein „Sosein“ mit Unterstützung der Mitschüler*innen also auch in der Klasse leben – aber nur unter der Bedingung, dass er sich selbst auch einbrachte.
Während Bennos Teilnahme an den deutschen Schachmeisterschaften, bei denen er nicht in seiner (U14), sondern in einer höheren Altersklasse (U18) antrat, wollten die Mitschüler*innen unbedingt eines seiner Spiele im Internet verfolgen. Obwohl es im Internet gar keine Bilder zu sehen gab, sondern nur das Schachbrett als Grafik mit den entsprechenden Zügen der Spieler, hielten die meisten der Mitschüler*innen bis zu Bennos Niederlage aus.
An seinem Geburtstag schenkten sie ihm als Ausgleich einen Kuchen im Schachbrettmuster.
Ein weiterer Beitrag aus der Reihe “Klasse für Alle”: Von Hartnäckigkeit, Mut und Vertrauen
Dieser Text wurde im Rahmen der Kampagne zum Film
DIE KINDER DER UTOPIE (Hubertus Siegert) erstellt.