Jahresbericht 2023

In diesem Jahr sind politisch einige Dinge in Bewegung gekommen – und wir haben unseren Beitrag dazu geleistet.

In Köln haben wir vier Mal vor dem Rathaus demonstriert und viele Gespräche mit Politiker:innen und Medien geführt, um endlich zu erreichen, dass die Stadt einen Schulbusverkehr zu den Schulen des Gemeinsamen Lernens einrichtet, wenn sie schon nicht dafür sorgt, dass Schüler:innen mit Behinderung wohnortnah zur Schule gehen können. Noch ist nichts entschieden, aber wir haben den Eindruck gewonnen, dass die Politik nach einer Lösung sucht.

Im Kölner Expertenbeirat für inklusive Bildung haben wir in einer Arbeitsgruppe Handlungsmöglichkeiten für die Stadt entwickelt, die vollen Förderschulen Geistige Entwicklung zu entlasten. Denn wir sind sicher, dass ein Teil der Schüler:innen lieber allgemeine Schulen besuchen würde, wenn sie darin unterstützt würden. So könnte erreicht werden, dass die Förderschulen nicht mehr überfüllt sind und die Stadt Köln könnte darauf verzichten, zusätzliche Förderschulen Geistige Entwicklung zu bauen – genau das hat sie laut der aktuellen Schulentwicklungsplanung nämlich vor.

Im Land NRW haben wir eingefordert, dass das Schulministerium endlich einen effektiven Aktionsplan für den Ausbau der inklusiven Bildung vorlegt, wie sie ihn im Koalitionsvertrag vereinbart hatte. Auch hier haben wir gleich konkrete Vorschläge vorgelegt, wie ein wirksamer Aktionsplan aussehen kann. Die Vorschläge für das Land NRW ebenso wie 

für die Stadt Köln können Sie auf unserer Homepage nachlesen.

Recht spontan entstand die Idee, mal wieder für inklusive Bildung auf die Straße zu gehen, und zwar anlässlich der Staatenprüfung bei der UNO in Genf. Dort haben wir uns mit Eltern aus anderen Bundesländern verabredet und mit einem Protestcamp auf dem Platz der Nationen zwei Tage lang sichtbar gemacht, dass Deutschland den Aufbau eines inklusiven Schulsystems vernachlässigt und verweigert. Diese Aktion war erfreulich erfolgreich. Wir hatten Medienresonanz, wir konnten den UN-Fachausschuss überzeugen, dass Handlungsbedarf besteht und wir haben dazu beigetragen, dass die inklusive Bildung und die Staatenprüfung zur UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland wieder auf Interesse stoßen. Zur Staatenprüfung selbst haben wir dem UN-Fachausschuss einen Bericht über die Schulsituation von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung eingereicht.

Aus der Genf-Gruppe ist ein bundesweiter Eltern-Zusammenhang entstanden.
Die nächste Aktion war ein Offener Brief an die Bundesregierung, endlich Verantwortung zu übernehmen, dass die inklusive Bildung im ganzen Land vorangetrieben wird. Den Offenen Brief haben die Berliner Mitstreiter:innen im Oktober im Bundesarbeitsministerium und im Bundesbildungsministerium übergeben, mitsamt den Unterschriften von mehr als 140 Organisationen und mehr als 1.400 Einzelpersonen. Leider haben wir bis heute von der Bundesregierung keine Antwort bekommen. Weil wir das nicht hinnehmen wollen, haben wir zahlreiche Bundestagsabgeordnete angeschrieben und sind derzeit in Einzelgesprächen mit dem Ziel, dass aus dem Bundestag heraus Druck auf die Bundesregierung entsteht, Verantwortung für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im gesamten Bundesgebiet zu übernehmen. Im kommenden Jahr werden wir auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene dafür eintreten, dass das Ergebnis der UNO-Staatenprüfung ernst genommen und die politischen Konsequenzen gezogen werden.

Unser Ausbildungsprojekt „Ausbildung mittendrin“ für junge Leute mit geistiger Behinderung ist ins zweite Jahr gegangen - gefördert vom Land NRW und der Europäischen Union. Inzwischen begleiten wir sechs junge Leute in Ausbildungen auf dem ersten Arbeitsmarkt. 14 weitere Projektteilnehmer:innen sind noch auf der Suche nach ihrem passenden Beruf und dem passenden Arbeits- und vielleicht Ausbildungsbetrieb. Das Projekt zeigt: Obwohl rechtlich nichts dagegenspricht, dass die Zielgruppe in reguläre Ausbildungen geht und auch die Unterstützungsinstrumente vorhanden sind, gibt es noch viele Hürden. Einer unserer Meilensteine in diesem Jahr war die Klärung, dass auch Auszubildende mit Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in der Berufsschule einen Anspruch auf Nachteilsausgleiche haben.

In der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) haben wir in diesem Jahr einen deutlichen Anstieg der Beratungsanfragen von knapp 30 Prozent zu verzeichnen. Etwa die Hälfte der Beratungsanfragen bezogen sich auf Informationen zu einer Leistung oder konkret zum Antragsverfahren, zumeist im Hinblick auf erforderliche Assistenzen, Gesundheit, Pflege und Entlastungsmöglichkeiten für Familien. Viele Beratungsanfragen standen im Zusammenhang mit dem Schulbesuch behinderter Kinder sowie dem Übergang Schule-Beruf, so dass insgesamt das Themenfeld Schule den größten Teil aller Beratungsgespräche betrifft. Daneben werden Fragen zur Teilhabe an Arbeit, Erwerbsminderung und zum Schwerbehindertenausweis konstant nachgefragt.

Mit unserem Beratungsangebot Kultur inklusiv haben wir auch in diesem Jahr wieder die Kölner Kulturszene und die Communities der Menschen mit Behinderungen in regelmäßigen Workshops zusammengebracht. Sehr konkret haben wir uns damit beschäftigt, wie Zugänge für ein Publikum mit Behinderung strukturiert geschaffen werden können. Daneben entspann sich in den Workshops ein fortlaufender Dialog zu der Frage, welcher Perspektivwechsel es bezogen auf das künstlerische Personal, die Themen, die Arbeitsprozesse sowie die ästhetischen Ausdrucksformen bedarf, um die eigene kulturelle Arbeit inklusiv zu öffnen. Dank der Konzeptionsförderung des Kulturamts Köln und der Unterstützung der Kämpgen-Stiftung können wir dieses Beratungsangebot im kommenden Jahr fortsetzen.

Auch in diesem Jahr danken wir wieder herzlich für Ihre und Eure Unterstützung! Insbesondere unser politisches Engagement können wir dank Ihres / Eures Beitrags verstärkt angehen, da es dafür keine Förderungen gibt. 

Wir freuen uns auf das kommende Jahr. Es gibt noch viel zu tun für Inklusion. Wir haben einiges vor und würden uns sehr freuen, wenn es Ihnen und Euch auch weiterhin möglich ist, unsere Arbeit finanziell zu unterstützen. P.S.: Spendenbescheinigungen für 2023 versenden wir im neuen Jahr!

Wir wünschen Ihnen und Euch eine wunderbare Weihnachtszeit!

Herzlich

Eva-Maria Thoms,
für den Vorstand des mittendrin e.V.

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