In Köln haben wir – mit einer Ausnahme – bei jeder Sitzung des Schulausschusses vor dem Rathaus demonstriert und viele Gespräche mit Politiker*innen und Medien geführt, um endlich zu erreichen, dass die Stadt einen Schulbusverkehr zu den Schulen des Gemeinsamen Lernens einrichtet – wenn sie schon nicht dafür sorgt, dass Schüler*innen mit Behinderung wohnortnah zur Schule gehen können. Mehrmals haben sich sogar ganze Schulklassen an unserem Protest beteiligt. Gemeinsam sind wir der Ansicht: Köln braucht nicht noch mehr Förderschulen, sondern ein besseres Angebot im Gemeinsamen Lernen! Doch zwischen Rat und Verwaltung geht weiter nichts voran. Zurzeit überwiegt der Eindruck, dass unsere Anliegen ausgesessen werden sollen. Hoffnung macht aber, dass der Protest sich verbreitert.
Dabei ist bewiesen: Köln kann inklusive Bildung! Unter diesem Titel haben wir im
COMEDIA-Theater einen Abend gestaltet, an dem Lehrerinnen und Schüler*innen Kölner Gesamtschulen einen Einblick in die Qualität ihrer inklusiven Schulen gegeben haben. Wir freuen uns, dass die schulpolitischen Sprecher*innen der Ratsfraktionen die Gelegenheit genutzt haben, einen tieferen Einblick zu gewinnen.
Im Land NRW haben wir uns dafür eingesetzt, dass wirkungsvolle Reformen der Feststellungsverfahren für sonderpädagogischen Förderbedarf (AO-SF) angepackt werden. Ein (auch auf unser langjähriges Drängen entstandenes) wissenschaftliches Gutachten ist im Frühjahr veröffentlicht worden und hat eindrucksvoll gezeigt, wie viel bei den Verfahren im Argen liegt und wie es kommt, dass immer mehr Schüler*innen ein sonderpädagogischer Förderbedarf zugeschrieben wird.
In einer Umfrage haben wir gemeinsam mit der Landeselternschaft der Förderschulen erstmals Eltern selbst befragt, wie zufrieden sie mit der Förderschule sind und warum sie dort angemeldet haben. Erwartungsgemäß äußerte sich die große Mehrheit der Förderschul-Eltern zufrieden – allerdings v.a. mit den verlässlichen Betreuungszeiten. Bei den Kernaufgaben von Schule – z.B. dem Lernangebot, dem Lernerfolg und selbst der behinderungsspezifischen Förderung – schnitten die Förderschulen in der Zufriedenheit erheblich schlechter ab. Immerhin 15 Prozent der Eltern denken darüber nach, ihr Kind noch einmal ins Gemeinsame Lernen umzuschulen. Sie vermissen jedoch gute inklusive Schulen, die auf Kinder mit signifikanten Behinderungen eingerichtet sind. Hier zeigt sich wieder einmal, dass das Land viel zu wenig tut, um inklusive Bildung voranzubringen. Die gesamten Ergebnisse der Umfrage mit vielen weiteren spannenden Erkenntnissen, wie es trotz des Rechts auf inklusive Bildung zu den Anmeldungen an der Förderschule kommt, können Sie auf unserer Homepage nachlesen.
Sehr gefragt sind weiterhin die Ergebnisse unseres schon 2020 abgelaufenen Projekts „Chillen inklusive“ über die inklusive Entwicklung der Offenen Jugendarbeit. Ein halbes Dutzend Mal sind wir in diesem Jahr von Jugendämtern zu Vorträgen und Diskussionen über Inklusion in der Jugendarbeit eingeladen worden. Wir hoffen, dass wir dazu beitragen können, die Teilhabe von Jugendlichen mit Behinderung an den Angeboten der Jugendarbeit endlich in die Fläche und die Praxis zu bringen.
Auf Bundesebene haben wir eingefordert, dass die Ergebnisse der Staatenprüfung zur UN-Behindertenrechtskonvention ernst genommen werden. Gemeinsam mit Eltern aus anderen Bundesländern (mit denen wir im vergangenen Jahr schon das Protestcamp bei der Staatenprüfung in Genf organisiert haben), haben wir bei der Follow-Up-Konferenz des Bundesbehindertenbeauftragten dafür gesorgt, dass die inklusive Bildung – als „Ländersache“ – nicht vergessen wird. Abermals haben wir gefordert, dass die Bundesregierung wirksam Einfluss nehmen muss, dass die Länder ihrer Verpflichtung nachkommen.
In unserem Ausbildungsprojekt „Ausbildung mittendrin“ für junge Leute mit so genannter geistiger Behinderung haben vier neue Ausbildungsverhältnisse begonnen. Allein drei davon finden bei REWE statt. Der Einzelhandelsriese entwickelt sich zu einem wichtigen Partner und einem Vorreiter für die berufliche Bildung von Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Die Verlängerung des Projekts bis Ende 2026 ist inzwischen vom Land NRW und dem Europäischen Sozialfonds bewilligt. In einem gut besuchten Fachtag zum Projekt haben wir Ende September die ersten Erfahrungen und Erkenntnisse vorgestellt.
In der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) haben wir in diesem Jahr nach einem deutlichen Anstieg der Beratungsanfragen im letzten Jahr von ca. 30 Prozent erneut einen starken Zuwachs von 21 Prozent zu verzeichnen. Fast die Hälfte der Beratungsanfragen bezogen sich auf die Themenfelder Schule, berufliche Bildung und Arbeit. Daneben standen Fragen zur Beantragung von Assistenzen, zur Pflege und zum Schwerbehindertenausweis im Vordergrund oder zur finanziellen Sicherung. Neben der Informationsweitergabe und Unterstützung bei Anträgen stellt die Begleitung zu schwierigen Gesprächen mit Schulen und Ämtern ein Herzstück unseres Hilfeangebotes dar.
Mit unserem Beratungsangebot Kultur inklusiv blicken wir in diesem Jahr auf 14 Workshops und viele Einzelberatungen zurück. Wir freuen uns, dass wir zunehmend mit unserem Angebot von der Kulturszene zu „sich nachhause“ eingeladen werden und mit ganzen Teams vor Ort an inklusiven Öffnungsprozessen arbeiten dürfen. Zusätzlich haben wir dieses Jahr begonnen, das Thema künstlerische Berufstätigkeit von Menschen mit Behinderungen gemeinsam mit unserer EUTB in den Blick zu nehmen. Wir denken, dass das Empowerment und die Unterstützung von Kulturakteur*innen mit Behinderungen an der beruflichen Teilhabe eine wichtige Ergänzung der bestehenden Beratungsangebote ist und Dynamik in das Feld bringt. Damit wollen wir im kommenden Jahr weitermachen und sind gespannt, welche Impulse wir hier setzen können. Wir danken der Stadt Köln, die das Angebot durch eine Konzeptionsförderung möglich macht, sowie der Kämpgen-Stiftung für die Unterstützung.
Zum Ende des Jahres konnten wir uns über eine überraschende Ehrung freuen: Bei der Wirtschaftsnacht Rheinland der Kölner Stadt-Anzeiger Medien wurde uns der Sonderpreis Inklusion überreicht! Wir freuen uns sehr! Dies gibt uns Chancen, in der Wirtschaft um Unterstützung für die inklusive Entwicklung von Gesellschaft und Schulen zu werben – wenn aktuell schon kein Rückhalt aus der Politik zu erwarten ist.
Auch in diesem Jahr danken wir wieder herzlich für Ihre und Eure Unterstützung! Insbesondere unser politisches Engagement können wir dank Ihres / Eures Beitrags verstärkt angehen, da es dafür keine Förderungen gibt.
Wir freuen uns auf das kommende Jahr. Es gibt noch viel zu tun für Inklusion. Wir haben einiges vor und würden uns sehr freuen, wenn es Ihnen und Euch auch weiterhin möglich ist, unsere Arbeit finanziell zu unterstützen.
Wir wünschen Ihnen und Euch eine wunderbare Weihnachtszeit!
Herzlich Euer mittendrin e.V.
Eva-Maria Thoms,
für den Vorstand des mittendrin e.V.