NAP oder Nepp?

Die Bundesregierung will ihren Nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention fortschreiben.

Link: Nationaler Aktionsplan

Immerhin ist das Werk ja auch schon gut vier Jahre alt. Da könnte man erwarten, dass Einiges schon erreicht ist und Deutschland sich auf dem Weg zur Inklusion neue ehrgeizigere Ziele setzen kann. Inklusion für Fortgeschrittene sozusagen.

Am 23. und 24. November 2015 waren Experten, Verbände, Vertreter staatlicher Stellen und die Zivilgesellschaft vom Bundesarbeitsministerium BMAS nach Berlin zu den "Inklusionstagen 2015" eingeladen, um den vorgelegten Arbeitsentwurf mit den neuen geplanten Maßnahmen für den "NAP2.0" (hipper Titel, nicht wahr?) zu diskutieren. Um die neuen Maßnahmen einzuleiten, stellt der Arbeitsentwurf sie dankenswerter Weise in den Kontext der Empfehlungen, die der UN-Fachausschuss in Genf im Frühjahr der Bundesregierung in den Aufgabenplan geschrieben hatte. Um es vorweg zu nehmen und diplomatisch auszudrücken: Da ist doch in einigen Bereichen eine gewisse Fallhöhe zwischen den Forderungen des UN-Fachausschusses und den Plänen der Bundesregierung zu erkennen.

Schon im März soll der fertige Aktionsplan dem Bundestag vorgelegt werden. Das, obwohl er bei Vertretern der Zivilgesellschaft auf wenig Begeisterung stieß. An vielen Stellen hat man bei der Lektüre des Arbeitsentwurfs den Eindruck eine bloße Auflistung ohnehin schon geplanter und laufender Projekte zu studieren, die zwar das Papier füllen, aber oft keine plausible auf Inklusion zielende Strategie erkennen lassen.

Im Bereich Bildung zum Beispiel ist der Aktionsplan Nr. 2 ein Dokument der Hilflosigkeit. Obwohl Forschungs- und Qualifizierungsprojekte zur inklusiven Bildung sicherlich sinnvoll und erfreulich sind, fehlt jede Spur eines Gedankens wie die Bundesregierung - immerhin verantwortlich fürdie Umsetzung der UN-NRK - trotz Kooperationsverbot auf einheitliche Lebensverhältnisse in Bezug auf inklusive Bildung in allen Bundesländern hinwirken will. Vor einem Jahr hatten Arbeitsgruppen auf den Inklusionstagen 2014 noch das Ziel eines Bundesrahmengesetzes für inklusive Bildung formuliert. Das hat das BMBF offenbar nicht einmal ignoriert.

Seltsames findet sich auch zum Thema Arbeit und Beschäftigung. Projekte und Gesetzesänderungen zum disability mainstreaming im Bereich Berufsausbildung gibt es gar keine. Nicht den geringsten Ansatz dazu.

Statt dessen plant die Bundesregierung besondere Vergabeverfahren für öffentliche Aufträge, an denen dann nur Behindertenwerkstätten und Sozialunternehmen teilnehmen können. Und sie plant die Berufsbildungswerke für Menschen mit Behinderung (überwiegend in Hand der Wohlfahrtsverbände und Kirchen) nicht etwa abzubauen sondern sie in "inklusive" Berufsbildungswerke umzuwandeln. Hier haben die Lobbyisten der Wohlfahrtsverbände in Bundestag und Bundesministerien offenbar ganze Arbeit geleistet. Der 2. Aktionsplan wird ihnen wie es aussieht die Bestandsgarantie für ihre Sondereinrichtungen auf Jahrzehnte liefern. Und das unter dem Siegel der Inklusion...

Besonders Ilja Seifert und Prof. Theresia Degener erinnerten in der Abschlussrunde der Inklusionstage noch einmal daran, dass Inklusion die Abkehr von segregierenden Sonderwelten erfordere. Ob´s genützt hat?

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