Schluss mit Eltern-Taxi?

Ist es Familien zumutbar, wenn Eltern ihr Kind täglich zur Schule fahren und von dort abholen müssen? Fünf Tage die Woche?

Über die gesamten mindestens zehn Jahre Schulzeit?

Für die meisten Menschen stellt sich diese Frage gar nicht. Nach ein paar Wochen Eingewöhnungszeit schaffen Kinder und Jugendliche ihren Schulweg selbständig, zu Fuß, mit Bus und Bahn oder später mit dem Fahrrad. Kinder täglich in die Schule zu fahren, gilt als freiwillige Angelegenheit - von Helikoptereltern oder von Eltern, die ihr Kind bewusst auf einer Ersatzschule oder Privatschule mit besonderem pädagogischen Konzept unterrichten lassen.

Übersehen wird, dass es eine Gruppe von Familien gibt, die gar nicht die Chance haben, ihr Kind auf einer wohnortnahen Schule anzumelden und ihm den Schulweg selbst zu überlassen.

Viele Kinder und Jugendliche mit Behinderung sind auf Dauer nicht fähig, den Schulweg allein und selbständig zu schaffen. Verschärfend kommt hinzu: sie haben überdurchschnittlich weite Schulwege. Für die Schüler*innen der Förderschulen haben die Kommunen Abhilfe geschaffen. Insbesondere für die Förderschulen mit den Schwerpunkten KM, GG, Hören, Sehen und Sprache haben sie Schulbuslinien geschaffen, auf denen die Schüler*innen meist von Kleinbussen direkt zu Hause abgeholt werden.

Zu den Schulen des Gemeinsamen Lernens gibt es diese  Schulbusse nicht. einen Schülertransport lehnen die Kommunen vielerorts rundweg ab. Wenn die Schüler*innen überhaupt auf Kosten der Kommune gefahren werden, muss dies jährlich beantragt werden. Dann wird umfangreich und detailliert geprüft, ob Eltern es tatsächlich nicht möglich machen können, das Kind selbst zu bringen. Die Eltern müssen ihre Arbeitszeiten nachweisen und es werden selbst Eltern von Kindern mit Pflegegrad 5 im Zweifel zum Amtsarzt geschickt, um zu überprüfen, ob ihnen neben der ständigen Pflegebelastung nicht auch noch zugemutet werden kann, zwei Mal täglich zur Schule und zurück zu fahren.

Über die Jahre hat sich die Pflicht der Eltern für den Schulweg zu einem eklatanten Hinderungsgrund für inklusive Bildung entwickelt. Viele Eltern trauen sich diese Belastung auf Dauer nicht zu und verzichten auf das Recht ihrer Kinder auf Inklusion.

Im vergangenen Jahr haben sich in Köln Eltern zusammen gefunden, um gemeinsam gegen den Zwang zum Elterntaxi einzutreten. Gemeinsam mit dem mittendrin e.V. wurden die Medien informiert, Briefe an Politiker geschrieben und Einzelfälle mit der Bitte um Lösung beim Schulministerium und im Landtag vorgebracht.

Nach einem intensiven Gespräch im Schulministerium könnten die Dinge nun endlich in Bewegung kommen. In der vergangenen Woche hat das Ministerium Eltern und Kommunale Spitzenverbände zu einem Erörterungstermin eingeladen. Während Eltern und Kommunen einer Änderung der Schülerfahrtkostenverordnung verlangten, will das Ministerium zunächst eine andere Frage zur Diskussion stellen. Wenn es zu den Förderschulen sogenannte Schülerspezialverkehre - also Schulbusse - gibt: Warum haben die Kommunen bis heute keine Schulbusse zu den inklusiven Schulen eingerichtet?

Diese Frage soll in den kommenden Monaten auf die Tagesordnung von Verhandlungen zwischen Land und Kommunen gesetzt werden. Es steht nämlich die Auswertung des "Inklusionsförderungsgesetzes" an. Das Land zahlt den Kommunen jedes Jahr Millionenbeträge, um Mehrkosten der Inklusion in den Schulen auszugleichen. Nun wird diskutiert, ob das Geld reicht, und ob damit auch Schulbuslinien bezahlt werden können.

Unser Standpunkt ist: Jede Schüler*in, die aufgrund ihrer Behinderung oder chronischen Erkrankung auf Dauer nicht in der Lage ist ihren Schulweg selbständig zu bewältigen, muss Anspruch auf Transport haben. Die eindeutige Lösung wäre eine Änderung der Schülerfahrtkostenverordnung. doch auch eine (Selbst-)Verpflichtung der Kommunen, zu den inklusiven Schulen Schulbuslinien einzuführen, würde bereits ein großes Hindernis für inklusive Bildung beseitigen.

Wie immer gilt: Wir können uns nicht darauf verlassen, dass  Politik und Verwaltung das Problem jetzt wirklich lösen. Wer immer Probleme hat, weil er/sie das Kind selbst zur inklusiven Schule fahren soll, ist herzlich eingeladen und gebeten, sich bei der EUTB-Beratungsstelle des mittendrin e.V. zu melden!

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