Guter Gemeinsamer Unterricht, so die Eltern, ist die erste Voraussetzung, damit der Aufbau eines inklusiven Bildungssystems gelingen kann. Der Brief im Wortlaut:
"Die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen hat sich im Koalitionsvertrag dazu bekannt, die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung umzusetzen und ein inklusives Bildungssystem aufzubauen. Die Entscheidung, welche Schule ihr Kind besucht, sollen die Eltern treffen.
Wir Elternvereine freuen uns sehr, in NRW erstmals eine Landesregierung an unserer Seite zu wissen, die unsere Kinder mit Behinderung in die allgemeinen Schulen integrieren will. Wir erwarten, dass die Regierung den Aufbau des inklusiven Bildungssystems in Kürze mit gesetzlichen Änderungen und mit der Erarbeitung eines Inklusionsplanes in Angriff nimmt.
Wir meinen auch: Am Beginn der Entwicklung zur Inklusion muss eine Verbesserung der Qualität im Gemeinsamen Unterricht stehen.
Gemeinsamer Unterricht von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung findet heute oft unter unzureichenden Bedingungen statt. In mehreren Sparrunden ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Lehrer und Sonderpädagogen in den GU-Schulen zusammengestrichen worden. Die Klassen sind zu groß und die Verstärkung der Schulen durch Sonderpädagogen reicht nicht aus. In Teilen des Landes wie etwa dem Regierungsbezirk Münster bekommen viele Kinder nur halb so viel sonderpädagogische Förderung wie in den Sonderschulen. Überall im Land gilt: Fallen SonderpädagogInnen wegen Krankheit oder Schwangerschaft aus, gibt es - wenn überhaupt - erst nach Monaten eine Vertretung. Die Finanzierung von Schulhelfern wird von den örtlichen Sozialämtern in willkürlicher Unterschiedlichkeit gehandhabt. Vielerorts werden den Kindern nur unterbezahlte Hilfskräfte zugestanden. Die Versorgung mit Hilfsmitteln bleibt ein Problem. Neuerdings werden in einigen Bezirken sogar Kinder mit erhöhtem Förderbedarf völlig ohne sonderpädagogische Förderung in allgemeine Schulen geschickt.
Unter diesen Voraussetzungen droht der Aufbau des inklusiven Bildungssystems zu scheitern.
Wir Elternvereine fordern deshalb das Land und die Schulträger auf, jetzt gute und verlässliche Rahmenbedingungen für den Gemeinsamen Unterricht zu schaffen.
Folgende Punkte halten wir für unerlässlich:
- Gemeinsamer Unterricht in der Sekundarstufe ist Aufgabe aller Schulformen, nicht nur der Gesamtschulen und der Hauptschulen.
- Durchgängige Doppelbesetzung im Unterricht (Lehrerteam) in allen Klassen und die feste Einbindung der Sonderpädagogen ins Kollegium.
- Einen dezentralen „Feuerwehr"-Pool von Sonderpädagogen, den Schulen sofort und unbürokratisch in Anspruch nehmen können, wenn im Gemeinsamen Unterricht Sonderpädagogen wegen Krankheit u. Ä. ausfallen oder wenn akuter vorübergehender Unterstützungsbedarf besteht.
- Klassengrößen von maximal 20 Kindern im Gemeinsamen Unterricht der Grundschulen und maximal 25 Jugendlichen in der Sekundarstufe.
- Findet Gemeinsamer Unterricht an Schulen mit besonderen Problemlagen statt (sozialer Brennpunkt u. Ä.), so sind deutlich kleinere Klassen zu bilden (maximal 15 Kinder).
- Im ländlichen Raum muss im Fall von Einzelintegration, wenn eine durchgehende Anwesenheit von Sonderpädagogen nicht machbar ist, als Kompensation die Größe der Schulklasse ebenfalls deutlich verringert werden (maximal 15 Kinder), um eine gute Förderung aller Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen.
- In der Lehrer-Fortbildung wird die Fortbildung in binnendifferenzierenden Unterrichtsmethoden und individueller Förderung zum Schwerpunkt höchster Priorität. Eine jährliche Fortbildung in diesem Schwerpunkt ist für alle Lehrerinnen und Lehrern obligatorisch und wird ihnen unentgeltlich ermöglicht. Die Kompetenzteams der Schulämter legen darauf ihren inhaltlichen Schwerpunkt.
- Die Lehrerteams im Gemeinsamen Unterricht bekommen halbjährlich und bei Bedarf häufiger Supervision.
- Verlässliche Schulzeiten und Ganztagsangebote müssen auch für die Kinder mit Förderbedarf selbstverständlich sein.
- Öffnung der Schulen für unterstützendes Personal (Heilpädagogen, Sozialpädagogen, Therapeuten usw.).
- Den unbürokratischen Einsatz von Schulhelfern, wenn Schule und Eltern dies für nötig halten.
- Die Bereitstellung aller notwendigen Hilfsmittel auch im Gemeinsamen Unterricht.
Die Qualität im Gemeinsamen Unterricht darf nicht unter dem allgemeinen Mangel an Sonderpädagogen leiden. Solange die Lehrerausbildung insgesamt noch nicht in Richtung Inklusion reformiert ist, müssen die Lücken mithilfe von Fortbildung gefüllt werden.
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass weder der Gemeinsame Unterricht nach heutigem Schulrecht noch ein inklusives Bildungssystem als Sparmodell im Bildungswesen taugen. An der Qualität der sonderpädagogischen Förderung darf auch im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention und ihren Bestimmungen zum Recht auf Bildung nicht gespart werden. Das Bildungssystem des Landes Nordrhein-Westfalen braucht im Gegenteil mehr Ressourcen - für alle Kinder.
Gemeinsam leben - gemeinsam lernen Aachen e.V.,
Elterninitiative Gemeinsamer Unterricht Bornheim,
INVEMA e.V. Kreuztal,
Schule für alle e.V. Hennef,
Mittendrin-Hürth e.V.,
Gemeinsam leben lernen e.V. Hilden,
Förderverein Gesamtschule Alfter e.V.,
Gemeinsam leben lernen Düsseldorf e.V.,
mittendrin e.V. Köln,
Elterninitiative besondere Kinder Oberberg,
Gemeinsam leben, gemeinsam lernen Olpe plus
Elterninitiative Kölner GU-Schulen,
Gemeinsam leben - gemeinsam lernen Dorsten,
Gemeinsam leben - gemeinsam lernen e.V. Bonn,
Gemeinsam leben - gemeinsam lernen Südlohn und Kreis Borken,
Gemeinsam leben - gemeinsam lernen e.V. Märkischer Kreis,
Windrather Talschule,
Elterinitiative GU in Ahlen,
Bielefelder Initiative Eine Schule für alle,
Regionalarbeitskreis Münsterland der LAG Gemeinsam Leben - Gemeinsam Lernen NRW,
LAG Gemeinsam leben - gemeinsam lernen NRW e.V.,
Gemeinsam leben - gemeinsam lernen e.V. Mönchengladbach,
Altenberger Elterninitiative Gemeinsam leben - gemeinsam lernen,
Igll e.V. Neuss