Der nicht-invasive Bluttest auf Trisomien als Kassenleistung: Kritik aus Politik und Zivilgesellschaft lässt nicht nach

Vergangenes Wochenende fand unter dem Titel „Der Bluttest auf Trisomien als Kassenleistung: Selbstbestimmte Entscheidung oder gesellschaftlich erwünschte Selektion?“ die Jahrestagung des Netzwerks gegen Selektion durch Pränataldiagnostik statt – erstmals in Kooperation mit dem Bündnis #NoNIPT.

Bereits im Vorfeld der Tagung trafen sich am Freitag die Tagungsorganisatorinnen mit Vertreter*innen der im Juli neu gegründeten „Interfraktionellen Arbeitsgruppe Pränataldiagnostik“ des Deutschen Bundestags zum Gespräch.

Die Arbeitsgruppe hat sich das Thema für diese Legislaturperiode auf die Agenda geschrieben: „Wir sind an dem Thema noch dran.“, versicherte Corinna Rüffer, behindertenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

„Angstindikation“ wird zum Screening führen

Die Mitwirkenden und Teilnehmenden der Tagung waren sich einig, dass die Kritik an der Kassenfinanzierung von nicht-invasiven Pränataltests auf Genvarianten ohne Therapieoption nicht nachlassen darf, solange „Angst“ vor einem Kind mit Behinderung als Indikation ausreicht und das Thema Behinderung mit angsterfüllenden Bildern besetzt ist. Die Entwicklung hin zu einem Screening sei sonst unvermeidlich.

Eindrücklich schilderte der Schauspieler Sebastian Urbanski, der selbst mit Trisomie 21 lebt, was ein Screening auf Down-Syndrom als Kassenleistung für Betroffene bedeutet: „Heute fahndet man nach Menschen mit Trisomien. Wonach fahndet man morgen? Das macht mir Angst. Es ist ein Zeichen, dass in unserer Gesellschaft eben doch nicht alle einen Platz haben sollen.“

Silke Koppermann, Sprecherin des Netzwerks gegen Selektion durch Pränataldiagnostik, fasst die Diskussion in der Arbeitsgruppe „Die Beratung soll's richten?! Ein interprofessioneller Austausch.“ zusammen: „Die Berater*innen können den Auftrag nicht erfüllen: die Folgen der Kassenfinanzierung des NIPT abzumildern.“

Der Ruf nach Verbesserung der Bedingungen, unter denen Eltern Care-Arbeit für Kinder mit Behinderungen leisten, und nach Inklusion als Bringschuld der Gesellschaft und nicht Holschuld der Eltern wurde nochmals bekräftigt: „Nur durch mehr und alltägliche Begegnungen können wir die Angst vor Menschen mit Behinderung verlieren.“, sagte Vera Bläsing, Leiterin der Down-Syndrom-Elterninitiative „BM 3X21“.

Die Tagung wurde gefördert durch die Aktion Mensch und mit Unterstützung des bvkm – Bundesverband der körper- und mehrfachbehinderten Menschen organisiert.

Das Programm der Jahrestagung können Sie hier nachlesen:

Zum barrierefreien Programmflyer der Tagung auf der Webseite nonipt.de

Die Tagungsdokumentation ist in Arbeit und wird Ende des Jahres zum Download zur Verfügung stehen.

Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik

#NoNIPT Bündnis gegen die Kassenfinanzierung des Bluttests auf Trisomien

Schlagworte

  • Bluttest

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