Wenn Sie vermuten, dass Ihr Kind ganz besonderen Förderbedarf in der Schule haben wird, muss dies offiziell im Rahmen eines schulischen Überprüfungsverfahrens festgestellt werden – dem sog. AO-SF-Verfahren.
1. Der Förderbedarf kann sich auf unterschiedliche Schwerpunkte beziehen: körperliche Entwicklung, geistige Entwicklung, sprachliche Entwicklung, sozial-emotionale Entwicklung, Hören und Kommunikation oder Lernen. Auch für Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung kann ein solcher besonderer schulischer Förderbedarf festgestellt werden. Allerdings muss dieser dann einem der genannten Förderschwerpunkte zugeordnet werden.
Wichtig ist jedoch: Nicht jeder besondere Förderbedarf ist sonderpädagogischer Förderbedarf. Paragraf 1 des Schulgesetzes besagt, dass jedes Kind Anspruch auf individuelle Förderung hat. Das bedeutet, dass die schulische Förderung auf das einzelne Kind eingehen muss. Die Gewährung von Nachteilsausgleichen erfolgt auch ohne sonderpädagogische Förderung. Gleiches gilt für eine ggf. erforderliche Schulbegleitung/-assistenz.
Die sonderpädagogische Förderung bedeutet jedoch erhöhten personellen und sächlichen Ressourceneinsatz und kann veränderte Regelungen zur Leistungsbewertung zur Folge haben. Damit verbunden sind u.U. aber auch veränderte Chancen auf einen Schulabschluss.
2. Ein Antrag zur Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfs wird in der Regel von den Eltern bei der zuständigen Grundschule gestellt. Dies kann bereits in Verbindung mit der Einschulung passieren oder auch im Laufe der Grundschulzeit. Nur in Ausnahmefällen finden noch Überprüfungen in der weiterführenden Schule statt.
Und auch nur in ganz besonderen Ausnahmefällen darf die Schule gegen den Willen der Eltern ein Überprüfungsverfahren in den ersten beiden Schulbesuchsjahren einleiten und dies auch erst, wenn das Kind bereits längere Zeit in der Schule gefördert wurde und die Schule dokumentieren kann,
- dass eine zielgleiche Förderung für Ihr Kind nicht möglich ist,
- oder
- dass Ihr Kind in der Schule sich und/oder andere durch sein Verhalten gefährdet.
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Schule ohne Zustimmung der Eltern keinen Antrag auf Überprüfung eines Sonderpädagogischen Förderbedarfs in den Förderschwerpunkten
- Emotionale und soziale Entwicklung
- Hören und Kommunikation
- Körperliche und motorische Entwicklung
- Sehen
- Sprache
stellen kann.
In den meisten Fällen also muss ein AO-SF-Antrag von Ihnen als Eltern unterschrieben werden. Vor der Unterschrift sollte eine ausführliche Beratung durch die Schule erfolgen und ggf. auch eine Darlegung der bisher eingesetzten Fördermaßnahmen. Dies ist unbedingt erforderlich, wenn der Antrag durch die Schule gestellt werden soll.
In jedem Fall sollten Sie auf ein ausführliches Beratungsgespräch bestehen und sich genau erklären lassen, welche Förderung Ihr Kind benötigt. Die Beratung muss daneben beinhalten, welche Vor- und Nachteile mit der Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs für Ihr Kind verbunden sind wie z.B.
- Auswirkungen auf die Schulwahl,
- Auswirkungen auf die Möglichkeit einen regulären Schulabschluss zu erreichen im Bildungsgang Lernen,
- Information darüber, dass im Bildungsgang Geistige Entwicklung kein regulärer Schulabschluss erworben werden kann.
Wenn Sie bereits medizinische oder therapeutische Berichte haben, die den Förderbedarf erläutern, kann es sehr hilfreich sein diese zur Verfügung zu stellen.
3. Wenn die Schulaufsicht der Eröffnung eines AO-SF-Verfahrens zustimmt, beauftragt es das Gutachterteam und informiert die Erziehungsberechtigten. Auch im Falle der Ablehnung eines AO-SF-Verfahrens werden die Erziehungsberechtigten darüber informiert.
4. Je nach Förderschwerpunkt findet im Rahmen des AO-SF-Verfahrens auch eine schulärztliche Untersuchung statt. In jedem Fall aber werden ein Sonderpädagoge/eine Sonderpädagogin und ein Pädagoge/eine Pädagogin der Regelschule mit einem ausführlichen Gutachten beauftragt. Den Ablauf der Begutachtung und die Ergebnisse dieser Begutachtung werden Ihnen vorgestellt und mit Ihnen besprochen.
Das Schulgesetz sieht vor, dass für alle Kinder der erste Förderort die Regelschule ist und auch Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf hier inklusiv beschult werden. Im Rahmen des AO-SF-Verfahrens können Sie als Eltern jedoch wünschen an welche Schulform Ihr Kind beschult werden soll: Förderschule oder Gemeinsames Lernen an der Regelschule.
5. Die endgültige Entscheidung darüber, ob Ihr Kind sonderpädagogischen Förderbedarf hat und an welcher Schulform ein Platz zur Verfügung gestellt werden kann, trifft die Schulaufsicht auf der Basis des Gutachtens und aller eingereichten Unterlagen. In der Regel delegiert die Schulaufsicht die Beratungsgespräche an die Schulleitung der Schule, an der Sie den Antrag auf Überprüfung gestellt haben. Bei Unklarheiten können Sie jedoch auch ein Beratungsgespräch mit der Schulaufsicht einfordern.
6. Über das Ergebnis des AO-SF-Verfahrens erhalten Sie von der Schulaufsicht einen rechtsgültigen Bescheid. Ebenso muss eine Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs – falls das nach einiger Zeit angezeigt ist – durch einen Bescheid der Schulaufsicht erfolgen. Gegen den Feststellungsbescheid der Schulaufsicht über das Vorliegen eines sonderpädagogischen Förderbedarfs ist kein Widerspruch möglich, sondern nur eine Klage.
7. Wenn für Ihr Kind sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt wurde, muss die Schule diese Förderung durch Förderpläne dokumentieren. Diese Förderpläne sollten am besten halbjährlich – mindestens jedoch jährlich – mit Ihnen besprochen werden.
8. Jedes Jahr muss von der Schule überprüft werden, ob der Förderbedarf weiterhin besteht. Sie erhalten den Beschluss der Klassenkonferenz über das Fortbestehen oder ggf. eine Änderung des sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs und des Bildungsgangs sowie über einen ggf. empfohlenen Wechsel des Förderortes auf einem Vordruck zur Kenntnis. Dort haben Sie die Möglichkeit der Entscheidung der Klassenkonferenz zuzustimmen oder anzukreuzen, dass Sie damit nicht einverstanden sind. Weiterhin können Sie Ihren Wunsch auf Wechsel an eine andere Schule/Schulform angeben.
Wenn Sie nicht mit der Entscheidung der Klassenkonferenz einverstanden sind, muss die Schule Sie über Ihre rechtlichen Möglichkeiten informieren (VV zu § 17 AO SF).
WICHTIG ZU WISSEN:
- Ohne sonderpädagogischen Förderbedarf kann ein Kind nicht in eine Förderschule aufgenommen werden.
- Mit sonderpädagogischem Förderbedarf muss ein Kind keine Förderschule besuchen, erster Förderort ist die inklusive Schule. Abweichend hiervon können die Eltern sich für eine Förderschule entscheiden.
- Ein Wechsel von der Förderschule auf eine inklusive Schule ist jederzeit möglich. Dies müssen Sie über die Schule Ihres Kindes bei der Schulaufsicht beantragen.
- Ein bereits festgestellter sonderpädagogischer Förderbedarf kann auch auf Ihren Antrag bei der Schulaufsicht überprüft und aufgehoben werden.
- Nach Beendigung der Klasse 6 ist die Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs nur noch in Ausnahmefällen möglich.
- Bei geschiedenen Eltern mit gemeinsamem Sorgerecht müssen immer beide Eltern unterschreiben und jeweils einzeln angeschrieben werden.
Tipp:
Nehmen Sie sich Zeit, lassen Sie sich nicht unter Druck setzen, einen AO SF-Antrag sofort zu unterschreiben. Beraten Sie sich in der Familie oder lassen sich extern beraten.
Rechtsgrundlagen:
Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Klinikschule
Geltungsbereich:
Nordrhein-Westfalen
In den übrigen Bundesländern existieren eigene (z.T. ähnliche) Regelungen im jeweiligen Schulrecht.
Kontakt: Wir beraten Sie gerne persönlich. Vereinbaren Sie mit uns einen Beratungstermin unter der Telefonnummer 0221 29 43 84 98 oder per Mail unter beratungmittendrin-koeln.de.
Weiterführende Links:
Antrag AO-SF-Verfahren, Bezirksregierung Düsseldorf
Checkliste AO-SF-Verfahren, Bezirksregierung Düsseldorf
Arbeitshilfe AO-SF, Bezirksregierung Düsseldorf
Handreichung AO-SF-Verfahren, Bezirksregierung Münster
Handreichung A0-SF, Schulamt Kreis Warendorf