Wann kommt endlich der Schulbusverkehr ins Gemeinsame Lernen?

Damit endlich alle nachvollziehen können, was der Zwangs-Taxidienst für Familien bedeutet, veröffentlichen wir hier eine wachsende Zahl an Fallbeispielen.

Was bedeutet der jahrelange Zwangs-Taxidienst für Euch? Seid Ihr aktuell oder bald selbst betroffen? Dann schreibt uns, was das für Euer Leben bedeutet. Und schreibt uns, wie das Genehmigungsverfahren ablief. Je mehr Beispiele wir haben, desto eher können wir die Politk überzeugen, dass Handlungsbedarf besteht. Schreibt an infomittendrin-koeln.de

Fallbeispiele

Namen und Kontaktdaten der Familien liegen uns vor.


1. Familie S. hat drei Töchter, die jüngste ist 14 Jahre alt, körperbehindert und fährt Rollstuhl.

Sie besucht die Heliosschule Gesamtschule im Interimsstandort Am Wassermann 33, wo die Schule Ende 2021 nach dem Brand das alten Standorts in der Borsigstraße untergebracht wurde. 

Durch den Zwangsumzug hat sich der Schulweg für die Familie von 1,5 auf 4,5 km verlängert. Vorher konnten sie ihre Tochter mit dem Fahrrad in die Schule bringen. Der Weg mit der KVB plus Umsteigen zum neuen Standort ist für die Tochter mit Rollstuhl zu anstrengend, zumal die Busse meist so voll sind, dass sie selbst mit Begleitung oft Schwierigkeiten hat, in den Bus zu kommen. 

Die Mutter arbeitet rechtsrheinisch, der Vater in der Innenstadt, so dass der Weg zur Schule am Wassermann für beide ca. 9 km Umweg bedeuten, 2 mal täglich. Die Familie hat alle erforderlichen Unterlagen eingereicht. Daraufhin wurden die Stechuhrzeiten der letzten 3 Monate von der Mutter nachgefordert.

Nach 3 Monaten Bearbeitungszeit kam die Ablehnung mit detailliert ausgearbeitetem Vorschlag, wie es die Familie schaffen kann, ihre Tochter täglich selbst zur Schule zu bringen. Im Notfall dürfen sie an einzelnen Tagen ein Taxi beauftragen und dann die Quittung mit diversen Nachweisen zur Prüfung einreichen.

Da die Berechnung der Stadt nicht der Lebensrealität entsprach, mussten beide Elternteile ihre Arbeitszeit reduzieren. Nach der Grundschule war Ihre Tochter für ein Orientierungsjahr auf einer Förderschule.

Auf der Förderschule war es überhaupt kein Problem, die Schülerbeförderung zu bekommen, da dies zum Gesamtpaket der LVR-Schulen gehört. Aufgrund der hohen Belastung denkt die Famlie immer wieder darüber nach, ihr Kind wieder auf eine Förderschule zu schicken.

Da ihre Tochter sehr gerne in die inklusiven Schule geht und auch die Eltern Inklusion für den richten Weg halten, nehmen sie eine höhere Belastung und weniger Verdienst in Kauf – so lange sie es trotz hoher Belastung noch leisten können. Auch ihre Tochter findet es altersgemäß extrem uncool, dass sie die Einzige ist, die jeden Tag von ihren Eltern gebracht und abgeholt wird. So viel zum Recht auf Teilhabe…

Der Antrag von Familie S wird bei der Stadt vermutlich als bewilligt gezählt, da bewilligt wurde, dass die Familie in Ausnahmefällen, an einzelnen Tagen ein Taxi beauftragen und die Rechnung einreichen kann, wenn sie länger arbeiten müssen.

Zitat aus dem Schreiben der Stadt: „Zum Ende eines Monats bitte ich Sie, die Original-Taxirechnungen, eine Monatsaufstellung über die Arbeits- und Pausenzeiten sowie Ort des Einsatzes, gegengezeichnet vom jeweiligen Arbeitgeber, sowie eine Übersicht der Schulbesuchstage (bspw. Kopie Klassenbuch) einzureichen. Aufgrund dieser Nachweise wird dann geprüft, welche Taxikosten übernommen werden, da Sie zeitlich nicht in der Lage waren ihr Kind auf dem Schulweg zu begleiten.“

Diesen organisatorischen Aufwand kann Familie S nicht leisten und lässt in solchen Fällen eine selbst finanzierte Betreuungsperson ihr Kind abholen.


2. Familie B.- H. hat einen 11-jährigen Sohn und eine 6-jährige TochterIhr Sohn sitzt im Rollstuhl und hat Pflegegrad 4. 

Der Sohn besucht die 5. Klasse einer 5 km entfernten Gesamtschule, die er nicht selbständig erreichen kann. Während die Schülerbeförderung in die näher gelegene Grundschule damals bewilligt wurde, müssen die Eltern ihren Sohn jetzt seit einem Jahr selbst zur weiterführenden Schule bringen und abholen, was eine große Belastung für die Familie bedeutet. Der Sohn ist teilweise inkontinent, sein Lungenvolumen muss regelmäßig mit einem Atemgerät trainiert werden und er hat häufig Atemwegsinfekte, die auch nachts überwacht werden müssen. Daher ist der pflegerische Aufwand für die Eltern sowieso schon sehr hoch.

Der Antrag gilt als genehmigt, da die Stadt der Familie 13 ct Kilometerpauschale für die Fahrten zahlt, was für die Familie keine nennenswerte Entlastung bedeutet. Außerdem darf die Familie ein Taxi bestellen, wenn sie den Sohn nicht selbst bringen können. Die Notwendigkeit des Taxis muss dann allerdings so aufwendig belegt werden, dass es nicht leistbar ist. 

Die regelmäßige Beförderung wurde nicht genehmigt, da das Amt für Schulentwicklung ausgerechnet hat, dass Herr B. seinen Sohn zeitweise morgens um 8 Uhr in die Schule bringen kann. Herr B. arbeitet 39 Stunden im allgemeinen Sozialen Dienst der Stadt Frechen, hat Gleitzeit und kann offiziell einmal in der Woche im Homeoffice arbeiten. Er muss spätesten um 8.30 h am Arbeitsplatz in Frechen sein. An der Schule muss er morgens bis 8.15 h auf die Schulbegleitung warten, die den Sohn in Empfang nimmt. Selbst wenn er seinen Sohn um 8 Uhr einfach an der Schule absetzen könnte, würde er es im Berufsverkehr oft nicht schaffen, pünktlich in Frechen zu sein. Herr B. hat bereits eine Abmahnung bekommen, weil er aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens zu spät kam, nachdem er seinen Sohn zur Schule gebracht hat.

Durch seine Verantwortung als Teamleiter in Verbindung mit Rufbereitschaft, hohem Krankenstand und Personalmangel ist eine verbindliche Zeitplanung für Herr B. in Realität nicht möglich. Oft muss er kurzfristig Mitarbeiter vertreten oder zu Außenterminen fahren und kann somit nur sehr selten Gebrauch von seinem Recht auf Gleitzeit und Homeoffice machen. 

Laut Teilgenehmigung der Stadt darf die Familie in solchen Fällen ein Taxi beauftragen, das den Sohn zur Schule bringt. Am Ende jeden Monats soll die Familie dann zur Prüfung die Taxi-Rechnungen, Nachweise vom Arbeitgeber über Arbeitszeiten und Außendiensteinsätze plus Nachweise der Schule über die Anwesenheit des Sohnes einreichen. Dieser Aufwand ist dem Arbeitgeber nicht zuzumuten und somit für die Familie nicht zu leisten.  

Gezwungenermaßen hat Frau H. nun den Taxidienst komplett übernommen. Dafür musste sie ihre Arbeitszeit stark reduzieren. Aufgrund langjähriger guter Zusammenarbeit hat ihr Arbeitgeber ihr das ermöglicht bis die Angelegenheiten geklärt sind. Der Zustand dauert nun schon ein ganzes Schuljahr an. Die Familie hat weniger Einkommen, sehr viel zusätzlichen Stress und Frau H. fürchtet um ihren Job, da sie nicht weiß, wie lange die Geduld ihres Arbeitgebers reicht.  


3. Frau B. ist verwitwet und hat drei Kinder, die 9, 8 und 5 Jahre alt sind.

Sie hat kein Auto und arbeitet als Sonderpädagogin in Teilzeit an einer Grundschule. Für die 3 Tage, an denen sie arbeitet, beantragte sie eine Beförderung für ihre Tochter mit Down-Syndrom zur Grundschule mit Gemeinsamen Lernen, da es ihr an diesen Tagen nicht möglich ist, ihre Tochter in die Schule zu bringen und diese den Schulweg auf längere Sicht nicht alleine bewältigen kann. Das hat der Kinderarzt in einem Attest bescheinigt.

Obwohl alle möglichen Kriterien erfüllt waren, bekam Frau B. telefonisch eine Absage für die Schülerbeförderung. Schwierige familiäre Situationen werden laut Begleitbögen des Antrages nicht berücksichtigt. Damit hatte Frau B. nicht gerechnet und nahm ziemlich verzweifelt Kontakt mit uns auf. Sie wusste nicht, wie sie Berufstätigkeit und Familienalltag organisieren sollte, ohne die erhoffte Beförderung ihrer Tochter. 

Frau B. wartete wochenlang vergebens auf einen schriftlichen Bescheid, gegen den Sie Widerspruch hätte einlegen können.

Zwei Wochen nach Schulbeginn schrieb sie in ihrer Verzweiflung eine Mail an die Oberbürgermeisterin. Wenige Tage später rief Taxiruf an mit der überraschenden Nachricht, dass eine Beauftragung zur Beförderung ihrer Tochter vorläge. Kurz danach kam dann auch der positive Bescheid des Amtes für Schulentwicklung. 

Für das kommende Jahr muss Frau B. erneut die Schülerbeförderung beantragen, denn die Genehmigung gilt immer nur für ein Jahr. Sie ist selbst Sonderpädagogin im Gemeinsamen Lernen, und ihrer Tochter gefällt es in der inklusiven Grundschule sehr gut.

Nun erwägt sie schweren Herzens den Wechsel auf die Förderschule. Denn in einer Förderschule versicherte man ihr telefonisch, dass sie die Beförderung auf jeden Fall bekommen würde.

Sie weiß nicht, ob ihre Energie ausreicht, um jedes Jahr aufwendig die Schülerbeförderung zu beantragen neben all den anderen Dingen, die zu tun sind. Und dann jedes Jahr monatelang zittern, ob der Antrag bewilligt wird?

Was soll sie machen, wenn es wieder nicht klappt? 

Eine Bekannte, deren Sohn auf eine Förderschule geht, berichtete neulich, dass es bei ihnen total einfach war, die Schülerbeförderung zu bekommen. Der Antrag war reine Formsache. Sie mussten nicht einmal Atteste oder Nachweise von Arbeitszeiten einreichen…


4. Familie B. hat zwei Töchter, die jüngere ist 13 Jahre und hat Down-Syndrom.

Sie besucht die Helios-Gesamtschule und wechselt im kommenden Schuljahr zum Interimsstandort am Wassermann. Der Schulweg beträgt dann einfach 3,5 km, was mit dem Tandem ca. 25 Minuten mit der KVB 23 Minuten dauert.

Frau B. ist selbständig und wird die Schülerbeförderung daher mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht genehmigt bekommen. Denn unserer Erfahrung nach bekommen nur Familien eine Genehmigung, deren Arbeitgeber bescheinigen, dass sie zur Hol- und Bringzeit nicht abkömmlich sind. 

Für Frau B. bedeutet das 4 x am Tag 25 Minuten bringen oder holen. Das sind jede Woche mehr als 8 Stunden, die der Familie für die Organisation des Alltags und für den Lohnerwerb fehlen. Und das über insgesamt 10 Jahre Schulzeit. Das wird sich auch bei der Rente bemerkbar machen. 

Wenn sie ihr Kind mit der KVB bringt, muss sie täglich 2 Fahrten bezahlen. Denn nur wenn das Kind dabei ist, kann sie mit dem Behindertenausweis umsonst fahren. Das sind 6,20 € täglich und 124 € im Monat.  


5. Familie P. lebt in Köln Niehl. Ihr Sohn ist ein Kind mit Trisomie 21.

Er geht im fünften Jahr auf die Grundschule mit Gemeinsamem Lernen im Viertel. Den Schulweg kann er nicht alleine gehen, da er im Verkehr noch nicht sicher genug ist. Die Eltern bringen und holen ihn abwechselnd.

Der Schulwechsel steht an, die Familie hat sich die Weiterführung der Inklusion entschieden. In Köln kommen dafür nur Gesamtschulen mit Inklusion in Frage. Sie haben sich die nächstgelegenen Schule (ca. 5 km vom Wohnort) angesehen und wollten ihren Sohn dort anmelden.

Die Stadt Köln hat der Familie aber einen Schulplatz an einer 10 km weit entfernten Schule zugewiesen, da an der nächsten Gesamtschule keine Plätze für Kinder mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung mehr frei waren. Nun stellt sich die Familie die Frage, bleibt es bei der Schulwahl? Oder sollten sie ihr Kind nicht besser zu einer Förderschule geben? Diese ist zwar 12 km weit vom Wohnort entfernt, die Genehmigung der Schülerbeförderung wäre aber ziemlich sicher?

Der Weg mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur zugewiesenen Gesamtschule würde knapp eine Stunde dauern mit Umsteigen. Dafür ist der Sohn ist in absehbarer Zeit nicht bereit.

Das heißt, die Eltern müssen ihn evtl. weitere 6 Jahre lang jeden Tag mit dem Auto zur Schule bringen und abholen, das sind insgesamt 40 km Wegstrecke und ca. 2 Stunden pro Tag. Der Plan der Familie, das Auto abzuschaffen, kann dann nicht realisiert werden.

Dieser Tage hat die Familie alle erforderlichen Unterlagen eingereicht und den Antrag auf Schülerbeförderung gestellt. Wir sind sehr gespannt, ob die Schülerbeförderung in diesem Fall genehmigt wird und drücken die Daumen. Die Wegstrecke ist sehr weit, aber da Frau P. selbständig ist, haben wir Zweifel…  


6. Familie T. hat ihren Sohn mit Down-Syndrom an einer Förderschule angemeldet.

Nach 5 Jahren inklusiver Beschulung mit täglichem Fahrdienst zur weit entfernten Grundschule schien das die bessere Lösung für die Familie. Beim Anmeldetermin versicherte man ihnen, dass die Schülerbeförderung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit genehmigt wird. Sie mussten keine Angaben zu den Arbeitszeiten der Eltern machen und keine ärztlichen Atteste einreichen.

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